Tagebuch
Call for Papers: Internationales Warburg-Kolleg 2018 »Politische Emotionen in den Künsten«
Deadline 31. März 2018
Philipp Ekardt, Frank Fehrenbach, Cornelia Zumbusch
Die Rolle von Emotionen in der Politik wird gegenwärtig intensiv debattiert. Gefühle wie Vertrauen, Hoffnung, Angst, Empörung oder Verachtung sind in Soziologie, Politologie bzw. politischer Philosophie als Movens von Protestbewegungen, als Teil demokratischer Meinungsbildung oder als treibende wie widerständige Kraft von Globalisierungsprozessen identifiziert worden. Dabei wird insbesondere nach der Funktion und Legitimität von Emotionen in der Politik gefragt: Braucht die Politik mehr Pathos? Oder gilt es umgekehrt, die notwendig schwankenden, manipulationsanfälligen Gefühle aus politischen Prozessen herauszuhalten? Und können politische Entscheidungen überhaupt rein rational getroffen werden, oder sind Emotionen aus der Politik schlicht nicht wegzudenken?
Anknüpfend an diese aktuellen Fragen befasst sich das Warburg-Kolleg 2018 »Politische Emotionen in den Künsten« mit der Geschichte der wechselseitigen Implikation von Politik und Emotionen im Medium der Künste. Wir gehen von der Überlegung aus, dass der Gefühlsausdruck und die emotionale Affizierung, Stimulierung, Mobilisierung oder Manipulation politischer Subjekte in grundlegender Weise auf Medien – seien es Bilder, Monumente und gebaute Räume, Texte und Inszenierungen, Fotografie und Film etc. – angewiesen ist. Seit der Antike und Frühen Neuzeit bilden sich in Denkmälern und Bauten, im Herrscherporträt oder im dichterischen Herrscherlob, im Festumzug oder in höfischen Theaterformen Bildformeln und textuelle Gattungen heraus, die besondere Gefühlseinstellungen propagieren oder die direkte Emotionalisierung ihrer Rezipienten im Sinn haben. Affektmodelle wie das vom selbstbeherrschten, charismatischen oder gar melancholischen absolutistischen Herrschenden, ›republikanisch‹-bürgerliche Gefühlsideale wie Vaterlandsliebe, Mitleid, (mütterliche) Sorge oder Sympathie, Wirkungsziele wie Enthusiasmus oder Bewunderung, Effekte wie Schrecken, Terror oder Hysterie thematisieren Affektlagen, die für den Führungsanspruch oder das Versagen sogenannter ›großer Männer‹ und ›taktierender Regentinnen‹, für den Zusammenhalt politischer Gebilde, für massenpsychologische Phänomene wie Umsturz und Revolution oder für das Kippen dieser Bewegungen in Terror und Schrecken verantwortlich gemacht werden. Der somit historisch fest etablierte Nexus zwischen Politik, Emotionen und Medien gewinnt derzeit in den Sozialen Medien neue Dimensionen, etwa in Gefühlskulturen der Empörung, des ›Trolling‹, also der provozierend-hetzenden Rede, aber auch in der Solidarisierung über Online-Technologien. In der echtzeitschnellen Verbreitung von Bildern, Texten, Geräuschen etc. durch das Internet verschwinden zunehmend die Grenzen zwischen affiziertem und affizierendem Subjekt. Zugleich sehen sich besonders die visuellen Künste in neuer Weise mit Forderungen nach der Auslösung politisch erwünschter Emotionen konfrontiert (Solidarität, Empörung, Scham etc.).
Im Blick auf die historischen und medialen Ausdifferenzierungen soll im Rahmen des Warburg-Kollegs gefragt werden, auf welche Weise Verbindungen zwischen Politik und Emotion in den Künsten hergestellt wurden und werden. Wie befördern die Künste die (Ent-)Emotionalisierung politischer Prozesse? Wie organisieren sie den Nexus von Politik und Emotionalität, wo reflektieren sie diese Verbindung? Und wie entwerfen die Künste in diesem Zusammenhang ihre je eigenen gestalterischen Tätigkeiten und formalen Möglichkeiten? Besondere Aufmerksamkeit könnte dabei der Rolle der Künste in politischen aber auch technisch-medialen Umbruchssituationen gelten, in denen man sich verstärkt darum bemüht, alte Ordnungsmodelle zu kritisieren und neue zu plausibilisieren, zu etablieren und zu konsolidieren.
Inwiefern lassen sich etwa im Bezug auf dramatische Formen, die ja seit der Antike mit der Erregung der höchst diversen Emotionen des Schreckens, der Bewunderung oder des Mitleids beauftragt worden sind, Funktionswechsel beobachten? Welchen Logiken folgt die Umstellung auf unterschiedliche Wirkungsziele? In welcher Beziehung stehen statische und performative Bildformen zur Modellierung spezifischer Affekttypen? Wie lassen sich die rekursiven Prozesse erfassen, die bei der Inszenierung politischer Gefühle etwa in der frühneuzeitlichen Spektakelkultur zuletzt auch auf den Herrscher selbst zielen? Wie lassen sich öffentliche Denk- und Mahnmale in ihrer historischen Entwicklung und in der Zeitspanne zwischen Errichtung, Präsenz und Veränderung bzw. Versetzung oder Zerstörung als Kristallisationspunkte politischer Emotionen erfassen? Welche unterschiedlichen Strategien des Affektmanagement werden im Zeichen neuer Medientechniken entwickelt, etwa in der Adaptierung der rhythmischen Zäsur im Werk Eisensteins als Gestaltung des Filmschnitts, der sich das Pathos der Revolution zu eigen macht, in Benjamins Konzeptualisierung des Schocks, oder im bewusst ›kühlen‹, an der vermeintlich nüchternen Fotografie orientierten Sprachstil neusachlicher Reportageliteratur? Welche Medienkonkurrenzen oder Medienwechsel sind seither zu beobachten: Haben derzeit vor allem digitale Bildmedien die Funktion übernommen, Bilder zur Erzeugung von Schrecken (Terror) oder Mitleid (Solidarität) zu produzieren und zirkulieren zu lassen? Wie verändert sich die sprachliche Gestaltung von Emotion im digital-technischen Zeitalter? Und gibt es womöglich ein Pathosformelrepertoire, das als formales Kontinuum einer (vielleicht nicht nur visuellen) Affektpolitik gedacht werden kann?
Das Warburg-Kolleg 2018 richtet sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen und –wissenschaftler aus den Kulturwissenschaften, insbesondere der Kunstgeschichte sowie der Literatur-, Theater-, Film- und Medienwissenschaften. Die Veranstalter laden zu einer einwöchigen Sitzung vom 15.-18. Oktober 2018 ins Warburg-Haus ein, um erste Textentwürfe zu präsentieren und zu diskutieren. Die im Anschluss ausgearbeiteten Texte sollen in der Reihe »Mnemosyne. Schriften des Internationalen Warburg-Kollegs« publiziert werden.
Kollegsprachen sind Deutsch und Englisch. Die Reise- und Unterbringungskosten werden von den Organisatoren getragen. Interessierte bewerben sich bitte mit kurzem Lebenslauf und aussagekräftigem Exposé bis zum 31. März 2018 an cornelia.zumbusch@uni-hamburg.de.
Call for Papers / Warburg-Kolleg