Tagebuch
„Lebensgroß gemimte Heimatkunde“
Aby Warburg über die Wandbilder im Großen Festsaal des Hamburger Rathauses
Unsere letzte Veranstaltung in der Jubiläumsreihe „Warburg wirkt!“ zum 150. Geburtstag führte am 5. Juli mit Karen Michels ins Hamburger Rathaus. Im großen Festsaal versah der Maler Hugo Vogel von 1901-1909 siebzig Meter Wand mit fünf monumentalen Historienszenen. Vogel, der von einer Kommission für diese Aufgabe ausgewählt worden war, und der auch im Berliner Rathaus Wandbilder geschaffen hatte, zeichnete die historische Entwicklung Hamburgs als eines „Fleckens Erde“ nach: Von der unbelebten Urlandschaft über die Christianisierung und die Entwicklung des Handels bis hin zum letzten, wieder menschenleeren Bild des modernen Hafens. Aby Warburg bezog bald Stellung gegen dieses Hamburgische Selbstbild „lebensgroß gemimter Heimatkunde“ und veröffentlichte 1910 in der Zeitschrift „Kunst und Künstler“ einen kurzen Text, der mit einer herben Kritik schließt: „Hamburgs Rathauswandschmuck würde […] ein belehrendes Objekt abgeben für die Sozialpsychologie einer Epoche, die schon froh war, ‚Schlimmeres zu verhüten‘, wo sie kategorisch das Höchste hätte fordern müssen.“
Karen Michels erläuterte bei ihrem Rundgang Warburgs Kritik konkret an den Fresken, ihren Motiven und Figuren, und zitierte den Kulturwissenschaftler in den schönsten Passagen seines Textes, der herrlich ätzend, spöttisch, zugespitzt ist.
Wie musste dieser Gemäldezyklus, der im Mittelbild die Anfänge der christlichen Kultur als des „wichtigsten Wendepunkt[es] in der Geschichte der heimatlichen Scholle“ darstellte, auf einen jüdischen Hamburger wie Warburg wirken, fragte Michels dann – und schlug angesichts dieses Geschichtsbilds seiner Stadt als eine zentrale Frage Warburgs vor: Wo bin ICH hier? Musste man christlich getauft sein, um Hamburger zu sein? Die Unzulänglichkeit der bildlichen Antwort mag Warburgs Text zusätzlich motiviert haben – er hat sich nur dieses eine Mal öffentlich schriftlich zu zeitgenössischer Malerei geäußert.
150. Geburtstag Aby Warburgs
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Bogen, Pendel, Waage. Figuren des Äquilibriums
Veranstaltungsort: Warburg-Haus, Hamburg Veranstalter Eckhart Goebel und Cornelia Zumbusch, Universität Hamburg Datum 22.06.2017 – 24.06.2017 Bewerbungsschluss 31.08.2016 Seit seinen frühen Studien zur Kunst der Renaissance stellt Aby Warburg die Leistungen der Kunst in den Rahmen einer…
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