Tagebuch
Ausstellung: Memory Movers
Das Neue Museum Nürnberg zeigt Bildkarten aus dem Bildindex zur Politischen Ikonographie und Fotografien aus dem Warburg-Archiv
In der kurzen Einleitung zu seinem unvollendeten Bilderatlas Mnemosyne prägte Aby Warburg 1929 einen Ausdruck, der sich nicht nur aufgrund seiner einprägsamen Formulierung inzwischen zur Leitsentenz der Ikonologie etabliert hat. Mit »automobilen Bilderfahrzeugen« adressierte Warburg metaphorisch die intrinsische Dynamik von Bildern, die Potenz von Artefakten und deren Reproduktionen, über Räume und Zeiten hinweg wirksam zu sein. Nirgends könnte diese prominente Metapher derzeit greifbarer werden, als in der Ausstellung Memory Movers, die vom 26. April bis 6. Oktober 2024 im Neuen Museum Nürnberg zu sehen ist. Das Berliner Künstlerduo Matthias Böhler und Christian Orendt (»Böhler & Orendt«) entwarf für ihre Einzelausstellung ein ungewöhnliches Konzept, das einen Raum des Museums für eine raumgreifende Installation nutzt und darin über zweihundert Archivalien, Objekte und Dokumente aus 53 Kulturarchiven des deutschsprachigen Raumes versammelt. Auch zwei Fotografien aus dem Warburg-Archiv und eine Tafel mit 16 Bildkarten aus dem Hamburger Bildindex zur Politischen Ikonographie sind in der Schau zu sehen.
Die Besucher betreten ein auf den ersten Blick schwer erfassbares, ja, surreal anmutendes Szenario. Doch bald wird deutlich, dass Böhler & Orendt mit Memory Movers einen sprechenden Titel wählten. Auch die leuchtenden Hüte, die sogenannten Daimons, die als Audioguides an die Besucher verliehen werden, sind indes buchstäblich sprechend. Die an einem mit der Aufforderung »Choose your Daimon!« überschriebenen Stand an die Besucher ausgegebenen überdimensionierten Kopfbedeckungen flüstern ihren Trägern bei Bedarf detaillierte Informationen über die teils kleinteiligen über den weitläufigen Raum verteilten Objekte ins Ohr. Zahlreiche Vehikel, etwa eine Pferdekutsche, ein Moped, Fahrräder, ein Trabant mit Anhänger und sogar ein Unfallfahrzeug, das scheinbar erst vor wenigen Momenten mit einem der Pfeiler der angedeuteten Arkaden des Galerieraumes kollidiert ist, treten in harten Kontrast mit der White Cube-Struktur der benachbarten Museumsräume. Beladen mit schwerer Fracht scheint der Konvoi ziellos durch den Museumsraum zu mäandern. So bahnen sich auch die Besucher ihren Weg durch die filmisch anmutende Kulisse, wandern selbst von Gefährt zu Gefährt und bekommen Archivalien zu sehen, die aus den Kulturarchiven für die Ausstellung eingesandt wurden. Denn die eigentlichen Stars dieser Szene sind ebenjene Objekte, Plakate, Tagebücher, Briefe oder Zeitungsartikel, mit denen die Fahrzeuge im Raum beladen sind. In handelsüblichen hellgrauen Polypropylen-Boxen verschiedener Größe werden die Archivalien präsentiert.
Auf dem Anhänger einer schwarzen Limousine stößt man dabei auf Exponate, die eigentlich im Hamburger Warburg-Haus beheimatet sind: In einer senkrecht aufgestellten Box ist eine Zusammenstellung aus 16 Bildkarten aus dem Hamburger Bildindex zur Politischen Ikonographie zu sehen, die aus unterschiedlichen Rubriken stammend auf einer grauen Tafel präsentiert werden. Das Nebeneinander dieser Dokumente mit zwei historischen Fotografien aus dem Warburg-Archiv, Aufnahmen von Bildtafeln der Ausstellung Urworte leidenschaftlicher Gebärdensprache aus dem Lesesaal der K.B.W. von 1927, gibt dabei Aufschluss über die Warburgsche Genealogie dieser Präsentationsform.
Wo für Warburgs Metapher des »automobilen Bilderfahrzeugs« die Stichworte Beweglichkeit, Dynamik und Vitalität noch eine meist produktive Konnotation transportierten, legt das Berliner Künstlerduo der Ausstellung eine wesentlich kritischere Lesart zugrunde. Böhler & Orendt betten die Präsentation der Archivstücke in ein dystopisches Narrativ ein und werfen damit zentrale Fragen auf, die die Arbeit von Kulturarchiven in den kommenden Jahrzehnten berühren werden: »Wozu sammeln wir eigentlich all die Bilder und Objekte, Dokumente, Geschichten und Gedichte, die sich in Archiven befinden?« oder »Wenn die Menschheit 2024 in der Lage ist, den immensen Wert historischer Kulturgüter zu erkennen und sich um deren Bewahrung zu bemühen, warum verändert und gestaltet sich die Welt dann weiterhin so, dass die vollständige Vernichtung dieses kulturellen Erbes zunehmend möglich erscheint?«
Elif Akyüz
Aby Warburg / Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: Dezember
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Die doppeldeutige Revolution Georges Vantongerloo und die kopernikanische Wende der Kunst Dass Stichworte wie »Revolution« und »Rebellion« in einem Bildindex zur Politischen Ikonographie verzeichnet sind, bedarf keiner weiteren Erläuterung. Das Aufbegehren gegen Unterdrückung und…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Online: Vortrag von Gregor Wedekind anlässlich des 93. Todestages von Aby Warburg
»Wirkungsmacht und Handlungsfeld. Zum Nachleben von Théodore Géricaults Floß der Medusa«
Anlässlich des 93. Todestages von Aby Warburg lud die Aby-Warburg-Stiftung am Dienstag, 22. November 2022 herzlich ein zum Vortrag von Gregor Wedekind, Professor für die Kunstgeschichte der Moderne und der Gegenwart am Institut für Kunstgeschichte und Musikwissenschaft der Johannes…
Aby Warburg / Bilder als Akteure des Politischen II / Publikationen
Mobile Memories – Öffentliche Jahrestagung des Internationalen Forschungsverbundes »Bilderfahrzeuge«
Berlin, Humboldt-Universität, Donnerstag & Freitag 10.-11. November 2022
Vom 10. bis 11. November 2022 fand an der Humboldt Universität zu Berlin die Jahrestagung des Internationalen Forschungsverbundes »Bilderfahrzeuge. Aby Warburg’s Legacy and the Future of Iconology« statt, zu der öffentlich herzlich eingeladen wurde. Annual conference of the International…
Bilder als Akteure des Politischen II / Bilderfahrzeuge
Online: Die Bilder schauen zurück. Wie Pablo Picasso das Münchner Haus der Kunst entnazifizierte
Vortrag von Uwe Fleckner. Eine Kooperation mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung im Rahmen der gemeinsamen Reihe 2022 »Bilder als Akteure des Politischen – Sozial- und Kunstwissenschaftliche Perspektiven«
Gemeinsam mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) lud das Warburg-Haus am Dienstag, 8. November 2022 um 19.00 Uhr sehr herzlich ein zur dritten Veranstaltung der gemeinsamen Reihe 2022 »Bilder als Akteure des Politischen – Sozial- und Kunstwissenschaftliche Perspektiven«. Uwe…
Bilder als Akteure des Politischen II / Publikationen
Bildkarte des Monats: November
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Angriff auf das Traumauge »Un chien andalou« und die ikonoklastische Geste des surrealistischen Kinos In den Memoiren des surrealistischen Filmemachers Luis Buñuel, der 1925 Madrid verlassen hatte und in Paris zum engeren Kreis der Avantgardisten gehörte, wird die vielzitierte Anekdote eines…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: Oktober
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Ein verzweifeltes Kind Wie der »Bildindex zur Politischen Ikonographie« einer Geste dauerhafte Würde verleiht Der schwarz-weiße Ausschnitt aus der Hamburger Morgenpost, der ohne Datumsangabe lediglich durch das handschriftliche Kürzel »MOPO« gekennzeichnet ist, wurde ohne begleitenden Text…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: September
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Best wishes from the Queen Cecil Beatons Porträt Elisabeths II. und der politische Nimbus einer Postkarte Als Königin Elisabeth II. 1952 den Thron bestieg, galt es einmal mehr, die britische Monarchie zu stabilisieren. Und wieder einmal sollte eine junge Frau diese Aufgabe übernehmen, gleichsam…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: August
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Gimme Shelter Henry Moore und die Aktualität des Krieges »War, children, it’s just a shot away.« The Rolling Stones: Gimme Shelter, 1969 Im Bildindex zur Politischen Ikonographie findet sich unter dem Schlagwort »Schlaf« innerhalb der Kategorie der »Geste« (200/215) eine Bildkarte, die…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Connect: Warburg-Haus und Kunsthalle @Phototriennale 2022: Seminar in der Ausstellung »Give and Take. Bilder über Bilder«, Hamburger Kunsthalle
Donnerstag, 21. Juli 2022, 16.30 Uhr. Mit Petra Roettig und Leona Marie Ahrens, Co-Kuratorinnen der Ausstellung, Leena Crasemann und Benjamin Fellmann
Im Rahmen der Phototriennale 2022 und der Ausstellung Give and Take. Bilder über Bilder luden das Warburg-Haus und die Hamburger Kunsthalle gemeinsam sehr herzlich ein zu einer Kooperationsveranstaltung zum Schwerpunktthema 2022 »Bilder als Akteure des Politischen«: Am Donnerstag, 21.07.2022,…
Bilder als Akteure des Politischen II
Online: Wie digitale Bilder politisch mobilisieren. Gender, Rassismus und Klimadebatten im Vergleich
Vortrag von Nicole Doerr, Kopenhagen. Eine Kooperation mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung im Rahmen der gemeinsamen Reihe 2022 »Bilder als Akteure des Politischen – Sozial- und Kunstwissenschaftliche Perspektiven«
Gemeinsam mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) lud das Warburg-Haus am Montag, 4. Juli 2022 ein zur zweiten Veranstaltung der gemeinsamen Reihe 2022 »Bilder als Akteure des Politischen – Sozial- und Kunstwissenschaftliche Perspektiven«. Nicole Doerr, Associate Professor am…
Bilder als Akteure des Politischen II / Publikationen
Bildkarte des Monats: Juli
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Die Morgenröte der Aufklärung Bertel Thorvaldsens »Der Tag« als Allegorie des Lichts Der dänische Künstler Bertel Thorvaldsen ist einer der berühmtesten Bildhauer des Klassizismus. Seine Übersiedlung nach Rom im März 1797 und die dortige Begegnung mit der Antike und späteren italienischen…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: Juni
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Das Ornament der Masse Bill Grahams Konzertgrafiken und die Agitation der Bilder Gewiss ließe sich mit den wenigen einschlägigen Dokumenten im Bildindex zur Politischen Ikonographie keine kohärente Geschichte des Konzertplakats illustrieren. In einem der Archivschuber des Sonderbestands…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Online: Protest im Bild. Der Kampf um die Hamburger Hafenstraße
Gespräch mit Mike Schröder, Kathrin Fahlenbrach und Julia Hörath, Moderation: Svenja Kunze. Eine Kooperation mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung im Rahmen der gemeinsamen Reihe 2022 »Bilder als Akteure des Politischen – Sozial- und Kunstwissenschaftliche Perspektiven«
Gemeinsam mit dem Hamburger Institut für Sozialforschung (HIS) lud das Warburg-Haus am Donnerstag, 5. Mai 2022, 19.00 Uhr herzlich ein ins HIS zur Auftaktveranstaltung zur gemeinsamen Reihe 2022 »Bilder als Akteure des Politischen – Sozial- und Kunstwissenschaftliche Perspektiven«. »Bilder…
Bilder als Akteure des Politischen II / Publikationen
Bildkarte des Monats: Mai
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
»Auf die Franzosen schieße ich nicht …« Max Beckmann erklärt dem Krieg den Krieg Es gibt Zeiten der Ohnmacht, der Sorgen und Ängste, in denen die wissenschaftliche (oder die künstlerische) Arbeit in Gefahr gerät, sich selbst als sinn- und zwecklos zu erfahren. Als im Juli 1914 mitten…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: April
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Askese und Repräsentation Die Stifterfigur Herzog Philipp des Kühnen in der Kartause von Champmol Einen der großen thematischen Schwerpunkte im Bildindex zur Politischen Ikonographie bildet die Kategorie der Herrscherbildnisse. Seit jeher war und ist die weltliche mit der geistlichen Macht eng…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Führung durch die Ausstellung »Auf Augenblicke frei und glücklich«: Mary Warburg
In Kooperation mit dem Ernst Barlach Haus Hamburg anlässlich der ersten Werkschau der Künstlerin
Am Freitag, 25. März um 17.30 Uhr lud das Warburg-Haus im Rahmen des Jahresprogramms 2022 in Kooperation mit dem Ernst Barlach Haus Hamburg ein zu einer Führung in der Ausstellung »Auf Augenblicke frei und glücklich. MARY WARBURG«, der ersten Werkschau der Künstlerin. Bei einer Führung durch…
Bilder als Akteure des Politischen II / Mary Warburg
Bilder als Akteure des Politischen II
Schwerpunktthema 2022
2022 ermöglicht das zweijährige Schwerpunktthema, in vielseitigen interdisziplinären Fragestellungen Bilder als Akteure der politischen Kultur und Kommunikation zu thematisieren und zu hinterfragen. Das Warburg-Haus bietet mit diesem Jahresthema den Raum, politische Bildphänomene in den Blick…
Bilder als Akteure des Politischen II
Bildkarte des Monats: März
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
»Weiße« Dame, »schwarzer« Diener Ein Bildnistyp zwischen Affirmation und Kritik Was der französische Dichter François Gacon im 18. Jahrhundert über einen Stich nach Hyacinthe Rigauds Bildnis einer »weißen« Adeligen mit ihrem »schwarzen« Diener schrieb (»Ihr weißer Teint vermag die…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: Februar
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Palimpsest der Indizierung Von Henri van de Waal zu Martin Warnke Diese Bildkarte wirkt auf den ersten Blick wie jede andere Karte des Bildindex zur Politischen Ikonographie. Sie verweist auf ein bestimmtes Kunstwerk, auf einen um 1560 entstandenen Kupferstich von Philips Galle nach einer Zeichnung…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie
Bildkarte des Monats: Januar
Fundstücke aus dem Digitalisierungsprojekt »Bildindex zur Politischen Ikonographie«
Brot und Bild Claes Oldenburgs »Crispbread« und das Politische des Bildes Brotlos ist die Kunst bestimmt nicht. Im Bildindex zur Politischen Ikonographie erinnert daran unter anderem eine Postkarte. Vor neutralem Hintergrund zeigt sie ein Rechteck, dessen Grundfläche über die angeschrägten…
Bilder als Akteure des Politischen II / Politische Ikonographie